8-Spur-Ausbau der Grauholz-Autobahn: Der Grosse Rat des Kantons Bern fordert Schonung des Kulturlands

Zwei Tage nach dem überraschend knappen Ausgang der Volksabstimmung über die Megastrassen-Projekte im Kanton Bern hat der Grosse Rat ein Zeichen an die Adresse des Bundesparlaments gesetzt: Er hat mit 146 gegen nur 3 Stimmen eine Motion gutgeheissen, die vom Regierungsrat verstärkten Einsatz gegen den Landfrass durch den geplanten 8-Spur-Ausbau der Grauholz-Autobahn verlangt. Der Ball liegt nun beim Nationalrat und seiner Verkehrskommission.

Der Regierungsrat solle “im Rahmen seiner Kompetenzen (…) die nötigen Anstrengungen” treffen, um bei Autobahnausbau A1 zwischen Wankdorf und Schönbühl (Ausbau auf acht Spuren) auf eine Reduktion des temporären und dauerhaften Landerwerbs von Fruchtfolgeflächen hinzuwirken. Diese Forderung hatten, angeführt vom Berner Bauernverbands-Präsidenten Hans Jörg Rüegsegger (SVP), im November 2022 Grossratsmitglieder aus (fast) allen Fraktionen in einer Motion deponiert. In der Begründung formulierten sie (mehr) Klartext: “Das geplante Nationalstrassenprojekt ist überdimensioniert und bringt keine Verbesserung der Verkehrssituation mit sich. Die Stauprobleme werden nur verlagert. Studien belegen, dass ohne den Ausbau Anschluss Bern Wankdorf die übrigen Ausbauschritte auf der A1 bis zur Kantonsgrenze Solothurn/Bern überflüssig und somit unnötig sind.

Signal gegen den “Ausbauschritt 2030”

In der Grossratsdebatte hat Spurwechsel-Vorstandsmitglied Bruno Vanoni (Grüne) die Motion unterstützt und im Interesse des Kulturlandschutzes zur grundsätzlichen Bekämpfung des 8-Spur-Ausbaus aufgerufen. Es gelte auch, ein Stopp-Signal an die Adresse des Bundesparlaments zu setzen, da dieses im Rahmen eines 12-Milliarden-Kreditpakets voraussichtlich im Juni und im September über den Baukredit für den Grauholz-Ausbau und das nördlich anschliessende Teilstück Schönbühl – Kirchberg beschliessen werde. (Die vorberatende Nationalratskommission (KVF) hat den so genannten «Ausbauschritt 2023» an ihren Sitzungen vom 20. März und 17. April 2023 traktandiert.) Mit einem JA zur Motion gelte es auch, die rund 50 Einsprachen zu unterstützen, die gegen den Grauholz-Ausbau immer noch hängig seien.

Das Berner Kantonsparlament stimmte der Forderung nach möglichst starker Schonung des Kulturlandes mit 146 gegen 3 Stimmen bei einer Enthaltung zu, nachdem sich der Regierungsrat damit einverstanden erklärt und versichert hatte, dass er schon bisher jede Gelegenheit zur Minderung des Kulturlandverbrauchs durch das Ausbauprojekt genutzt habe. Die zweite Forderung der Motion lehnte die Ratsmehrheit jedoch mit 73 Nein- gegen 68 Ja-Stimmen und 9 Enthaltungen leider knapp ab. Sie hätte die intensivere Prüfung von “Varianten zur Untertunnelung oder zum Ausbau in die Höhe/Überdeckung” verlangt.

Knapp keine Mehrheit für Prüfung von Untertunnelung/Überdeckung

Laut der Nachrichtenagentur Keystone-sda wurde die Ablehnung dieser zweiten Motionsforderung in der Debatte mit den drohenden Mehrkosten für Bund und Kanton begründet. Baudirektor Christoph Neuhaus (SVP) machte deutlich, dass neue Abklärungen im Widerspruch zum genehmigten generellen Projekt stünden. Er warnte zudem vor jahrelangen Verzögerungen und massiven Mehrkosten, an denen sich der Kanton wesentlich beteiligen müsste. Dem hielten Befürworter entgegen, im Kampf gegen den fortschreitenden Kulturlandverlust sei es angebracht, Varianten zur Untertunnelung oder zum Ausbau in die Höhe nochmals zu prüfen. Schliesslich hätten die Abstimmungen über die Verkehrssanierungen im Oberaargau und Emmental am Wochenende deutlich gemacht, dass die «Zeitenwende» beim Strassenbau immer näher komme.

Gegen die Prüfung von Untertunnelungs- und Überdeckungsvarianten auf der Grauholz-Autobahn wurde auch ins Feld geführt, dass 2012 die Idee einer Tunnellösung schon einmal geprüft und verworfen worden sei. Damals ging es freilich nicht um einen Tunnel auf der knapp 6 km langen Grauholz-Autobahn zwischen Bern-Wankdorf und Schönbühl, sondern um einen 8 km langen Tunnel vom Anschluss Bern-Weyermannshaus unter der Aare hindurch direkt ins Grauholz – also um eine völlig andere Linienführung zwecks Umfahrung des Knotens Wankdorf und vor allem um eine Alternative zum damals erwogenen Bau eines zweiten Felsenau-Viadukts.

Zweiter Felsenau-Viadukt vor 2040 wieder ein Thema?

Diese Idee einer zweiten Autobahn-Brücke über die Aare wurde dann allerdings wegen des Widerstands von Stadt und Kanton Bern wieder fallengelassen. In der jüngsten Autobahn-Ausbaubotschaft des Bundesrates ans Parlament wird nun allerdings wieder ein Kapazitätsausbau zwischen Weyermannshaus und Wankdorf bis 2040 angekündigt – wie dieser geschehen soll, lassen Bund und Kanton allerdings vielsagend offen. Eine Interpellation von Spurwechsel-Vorstandsmitglied Bruno Vanoni im Grossen Rat hat keine Klarheit gebracht, ob die Idee eines zweiten Felsenau-Tunnels bald wieder aufs Tapet kommen wird.

>Die Debatte im O-Ton und Video – und bald auch im schriftlichen Protokoll