Der Nationalrat hat sich am 30.5. dafür ausgesprochen, im Rahmen des “Ausbauschritts 2023” sieben Autobahnprojekte im Umfang von fünf Milliarden Franken zu finanzieren. Darunter befinden sich auch die beiden Ausbauprojekte der Abschnitte Wankdorf-Schönbühl und Schönbühl-Kirchberg in der Region Bern. Der Entscheid der Grossen Kammer widerspricht nicht nur diametral den umweltpolitischen Zielsetzungen des Bundes und dem Grundsatz des sorgsamen Umgangs mit Steuergeldern, sondern ignoriert auch neue Erkenntnisse des Bundes zur Entwicklung des motorisierten Individualverkehrs. Der Verein Spurwechsel baut derweil den organisierten Widerstand gegen die schädlichen Projekte in der Region Bern aus und stellt sich auf ein Referendum ein.
Gestern hat der Nationalrat die Befürchtungen des Vereins Spurwechsel bestätigt und sich im Rahmen des “Ausbauschrittes 2023 für die Nationalstrassen” für die Realisierung von sieben schädlichen und sinnlosen Autobahnprojekten ausgesprochen. Darunter befindet sich auch der Ausbau der Abschnitte Wankdorf-Schönbühl und Schönbühl-Kirchberg. Die Anträge, welche die Streichung der entsprechenden Abschnitte aus dem Ausbauschritt 2023 forderten, wurden mit 105 zu 86 bzw. 106 zu 87 Stimmen abgelehnt. Der Verein Spurwechsel hatte im Vorfeld der Parlamentsdebatte auf dem Bundesplatz eine Kundgebung mit den Berner Parlamentsmitgliedern organisiert (siehe Bild von Martin Bichsel).
Der Entscheid ist insofern nicht überraschend, als dass er sich in den letzten Monaten bereits abgezeichnet hat. Nichtsdestotrotz erstaunt die Ignoranz, welche die bürgerliche Nationalratsmehrheit bei dieser Entscheidung an den Tag gelegt hat: So ist es wissenschaftlich seit langem zweifelsfrei erwiesen, dass sich Kapazitätsprobleme durch Spurausbauten nicht nachhaltig lösen lassen. Hingegen werden die geplanten Ausbauten hektarenweise Kulturland beanspruchen und die Zersiedelung weiter fördern. Der Entscheid widerspricht somit in doppelter Weise dem Grundsatz des haushälterischen Umgangs mit dem Boden. Wie der Bundesrat ignoriert zudem auch der Nationalrat neue Erkenntnisse zur weiteren Entwicklung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) aus den “Verkehrsperspektiven 2050”: Demnach wird der MIV deutlich weniger stark wachsen als bei der Erarbeitung der Projekte angenommen und die Spitzenbelastungen deutlich abflachen. Dass bundeseigene Grundlagen bei einem so wichtigen Entscheid nicht berücksichtigt werden, ist absolut unverständlich. Besonders stossend ist, dass mit dem rein regionalpolitisch motivierten Hinzufügen der beiden Westschweizer Ausbauprojekte (Le Vengeron-Coppet und Coppet-Nyon) der bundesrätliche Antrag zusätzlich entgegen den erwähnten Erkenntnissen erweitert wurde. Offensichtlich ist weiter der Widerspruch des Entscheids zu den Klimazielen des Bundes. Keine drei Wochen vor der Abstimmung zum Klimaschutzgesetz wirft dies Fragen auf.
Der Verein Spurwechsel wird sich nun darauf fokussieren, die zwei Berner Ausbauprojekte und ihre Folgen in den betroffenen Gemeinden stärker bekannt zu machen. Ein erstes Vernetzungstreffen für Interessierte hat am 30.5. in Urtenen stattgefunden und ist auf grosses Interesse gestossen. So soll insbesondere die regionale Basis für ein erfolgreiches Referendum gegen den Ausbauschritt 2023 gelegt werden. Der Spurwechsel bleibt weiter über das nationale Netzwerk “Verkehrswende Jetzt!” mit anderen regionalen Widerstandsorganisationen und auch mit nationalen Akteuren in Kontakt, um die weiteren Schritte bis hin zur Lancierung des Referendums abzustimmen.