Grauholz Halbanschluss

Grauholz Halbanschluss

Die Regionalkonferenz Bern-Mittelland (RKBM) will den Halbanschluss Grauholz wieder aufs Tapet bringen, nachdem das Bundesamt für Strassen (ASTRA) die Projektierung 2021 abgebrochen hat.

Im Rahmen der Aktualisierung des regionalen Basisstrassennetzes hat die Regionalkonferenz Bern-Mittelland (RKBM) die alte, schon mehrfach verworfene Idee eines Autobahn-Halbanschusses Grauholz in einer Studie wieder aufgegriffen und per Mehrheitsentscheid einer Begleitgruppe im öffentlichen Mitwirkungsverfahren (bis 31.1.2024) propagiert. Wo genau und wie der Halbanschluss in die Landschaft zwischen Ittigen und Zollikofen platziert werden sollte, wird in der RKBM-Studie nicht genau dargelegt. Es heisst darin nur: Der Halbanschluss würde dem Verkehr nach und aus Bern dienen, kurz vor der Raststätte Grauholz liegen und an die Länggasse (Ittigen – Zollikofen) angeschlossen werden.

Vom ASTRA geprüfte und geeignete Varianten für die Anlage des Halbanschlusses Grauholz

In der bisher nicht veröffentlichten “verkehrlichen Machbarkeitsstudie”, die das Bundesamt für Strassen (ASTRA) im Jahr 2020 machen liess, sind verschiedene Varianten aufgezeigt und bewertet worden. Als Bestvariante haben die Einspurstrecken südlich der Länggasse abgeschnitten (in der nachfolgenden Spurwechsel-Illustration schematisch als V1 dunkelrot beidseits der N1 dargestellt). Als zweitbeste Variante, die beim Weiterverfolgen der Idee auch nochmals vertieft zu prüfen wäre, stellte sich die Variante heraus, die zum Teil bestehende Strassenstücke des Raststätten-Anschlusses nutzen würde (schematisch als V3 hellrot dargestellt). Diese Variante könnte auch spiegelverkehrt auf der anderen Seite der Autobahn angelegt werden (hellrot gestrichelt dargestellt).

Visualisierung geprüfter Varianten für den Halbanschluss Grauholz (Visualisierung Spurwechsel)

Mit einem Halbanschluss Grauholz könnten «insbesondere Zollikofen und Ittigen nachhaltig vom übergeordneten Durchgangsverkehr» entlastet werden, hat die Mehrheit der Begleitgruppe zur RKBM-Studie behauptet. Ein Vergleich mit der detaillierteren ASTRA-Machbarkeitsstudie zeigt jedoch, dass die Sache nicht so einfach und nicht so klar ist:

In Zollikofen gäbe es laut ASTRA-Studie «sowohl Verkehrszunahmen als auch Verkehrsabnahmen». Stärker belastet würden insbesondere Länggasse, Eichenweg und Kreuzstrasse, was Ausbauten erfordern würde, namentlich der einspurigen Unterführung der Bahnlinie. Auf Teilen der Bernstrasse (nördlich Kreuzkreisel), der Kirchlindachstrasse und von angrenzenden Quartierstrassen gäbe es in Spitzenstunden keine Verkehrsreduktion, ja teils sogar Verkehrszunahmen. Um den Autoverkehr auf den Halbanschluss zu lenken, bräuchte es flankierende Massnahmen auf Strassen in Zollikofen. Doch weil dort immer noch sehr viel Verkehr verbliebe, wären solche Massnahmen kaum möglich.

In Ittigen vermöchte der Halbanschluss gemäss Astra-Studie zwar einzelne Strassen zu entlasten. Er führte aber zu Verschlechterungen in Wohnquartieren und auf nicht als Autobahn-Zufahrt geeigneten Strassen. Und in Bolligen rechnet sogar die RKBM-Studie mit Mehrverkehr auf der Krauchtalstrasse. Folglich wäre auch zu befürchten, dass der Verkehr aus Richtung Krauchtal über Habstetten/Schlupf zunähme. Der Halbanschluss wäre attraktiv, um die Bahnschranke in Bolligen und die Grossbaustelle bzw. den Stauraum im Wankdorf zu vermeiden. Selbst die Achse Lutertal (Schule), Asyl- und Zulligerstrasse würde vermehrt belastet. In den vermeintlich verkehrsberuhigten Tempo-20/30/40-Zonen gäbe es neuen Durchgangsverkehr.

Fazit: Der Halbanschluss Grauholz ist keine Lösung, sondern schafft neue Probleme. Und vor allem: Er setzt den 8-Spur-Ausbau der Grauholz-Autobahn voraus.


Zur Vorgeschichte (bis zum Abbruch der Projektierung durch das ASTRA im Jahr 2021, vgl. Bericht in der Berner Tageszeitung “DER BUND” vom 23.8.2021) 

Der Bau einer zusätzlichen Ein- und Ausfahrt auf die Autobahn A1 zwischen Ittigen und Zollikofen geht auf Forderungen einiger Gemeinden zurück, die in den 2010er Jahren von der Regionalkonferenz Bern-Mittelland (RKBM) und vom Kanton Bern unterstützt wurden, vom zuständigen Bundesamt für Strassen (Astra) aber lange nicht aufgegriffen wurden. Denn das Astra befürchtet, dass der so genannte Halbanschluss Grauholz zusätzlichen Verkehr auf die stark belastete Grauholz-Autobahn brächte und das Risiko von Unfällen und Staus erhöhen könnte. So hat das Astra im Jahr 2012 wegen der Opposition von Stadt und Kanton Bern das Ausbauprojekt für den Felsenauviadukt gestoppt und sich wegen des dadurch verbleibenden Kapazitätsengpasses auch gegen einen Halbanschluss Grauholz entschieden. 

2018 hat das Astra dem anhaltenden Druck vorläufig nachgegeben und eine vertiefte Prüfung des geforderten Halbanschlusses gestartet (Ausschreibung von Beratungs- und Planungsarbeiten auf simap.ch, Informationssystem über das öffentliche Beschaffungswesen). Auf der Website des Astra sind nur rudimentäre Informationen über das «separate Projekt» aufgeschaltet: Es «würde auf Höhe der Raststätte Grauholz eine Ausfahrt aus Richtung Bern sowie eine Einfahrt in Richtung Bern beinhalten.» Der Kanton und die Gemeinden wünschten den Halbanschluss «zur Entlastung der Ortsdurchfahrten von Zollikofen und Ittigen».

Gemäss Antwort des Berner Regierungsrates auf eine Interpellation aus dem Grossen Rat aus dem Jahr 2018 käme der Halbanschluss im Raum Länggasse-Raststätte Grauholz grossmehrheitlich auf das Gebiet der Gemeinde Ittigen zu liegen; eine Zufahrtsstrasse werde voraussichtlich auch über Gebiet der Gemeinde Zollikofen führen. Das Trassee für einen Teil der Zufahrt aus dem Raum Zollikofen ist im Rahmen der Ortsplanungsrevision 2016 in Zollikofen bereits in den Richtplan Siedlung aufgenommen worden (offiziell allerdings nur als «Sammelstrasse» für die Erschliessung einer Gewerbezone deklariert, die erst noch eingezont werden müsste; Kritiker dieses Vorhabens haben vor einem Präjudiz für eine Zufahrtsstrasse zur Autobahn gewarnt. Ein ähnliches Vorhaben ist in den 1990er Jahren durch den mittlerweile aufgelösten Verein Zollikofen ohne Entlastungsstrasse ZOE gestoppt worden).

Kosten

Nicht bekannt, aufgrund des Bearbeitungsstandes sind auch keine Kostenschätzungen publik. Laut Antwort des Regierungsrates ist auch nicht bekannt, ob sich der Kanton oder die Gemeinden an den Kosten beteiligen müssten.

Zeitplan:

Die Prüfung des Halbanschlusses Grauholz sollte laut damaligen Astra-Angaben unabhängig und ausserhalb der Projektierung des 8-Spur-Ausbaus der Grauholz-Autobahn im betreffenden Gebiet erfolgen. Geprüft werden sollten insbesondere politische Akzeptanz, Umweltverträglichkeit, Sicherheitsaspekte (Nähe Raststätte Grauholz) und Schnittstellenverträglichkeit (Abschnitt Wankdorf – Weyermannshaus, Kantonsstrassen). Geprüft werden sollte auch eine Variante mit Ausbau des Worblentalviadukts, einem südlich gelegenen Bauwerks der A1.

Gemäss mündlicher Auskunft aus dem Astra (Dezember 2019) wurden die Arbeiten für das Projekt wieder gestoppt – aus Priorisierungsgründen. Bei der für 2021 geplanten, aber erst 2022 durchgeführten Auflage des 8-Spur-Ausbaus werde der Halbanschluss Grauholz folglich noch nicht spruchreif sein. Damit das Projekt realisiert werden könnte, ist nach Einschätzung des Astra wenigstens der Ausbau des Knotens Wankdorf nötig, höchstwahrscheinlich auch der 8-Spur-Ausbau der Grauholz-Autobahn und möglicherweise sogar ein Ausbau des Felsenau-Viadukts.


Kritik Verein Spurwechsel

Der Halbanschluss Grauholz wird unbestritten zu Mehrverkehr auf der A1 führen. Er setzt einen Kapazitätsausbau auf der A1 voraus, der vom Verein Spurwechsel grundsätzlich abgelehnt wird. 

Ob der Halbanschluss wirklich zur angestrebten Entlastung der Ortsdurchfahrten in Zollikofen und Ittigen führen wird, ist mehr als zweifelhaft; viel eher ist zu erwarten, dass eine allfällige Entlastungswirkung in kurzer Zeit wieder durch zusätzlichen Verkehr zunichte gemacht wird. 

Um die Ortsdurchfahrten zu entlasten, ist eine Reduktion des Verkehrs anzustreben. Das Projekt Verkehrsmanagement Region Bern Nord ist entsprechend auszugestalten bzw. nachzubessern. 

Für den Halbanschluss und die dafür nötigen Zufahrtsstrassen müsste Kulturland (teilweise in Fruchtfolgeflächen-Qualität) geopfert werden. 

Link auf die Seite vom ASTRA: www.a1-bern-nord.ch