Eine Tamedia-Recherche deckt ein äusserst fragwürdiges Vorgehen des Bundesamts für Strassen (ASTRA) bei der Realisierung eines “Besucherzentrums” neben dem Anschluss Wankdorf auf. Dies ist ein weiterer Beleg für die tendenziöse ASTRA-PR-Strategie: Mit öffentlichen Geldern und schöngefärbten Informationen sollen den Stimmberechtigten zerstörerische Megastrassenprojekte schmackhaft gemacht werden. Mit der Redaktion der SRF-“Tagesschau” wird der Verein Spurwechsel wegen der unkritischen Berichterstattung am Vorabend zum gleichen Projekt Kontakt aufnehmen.
Heute erschien auf den Newsportalen der Tamedia ein Report über ein äusserst fragwürdiges Vorgehen des Bundesamts für Strassen (ASTRA) beim Bau eines “Besucherzentrums” neben dem Autobahn-Anschluss Wankdorf. Wir haben diese Enthüllungen mit Bestürzung zur Kenntnis genommen. Sie zeigen einmal mehr das problematische Verständnis des ASTRA von Öffentlichkeitsarbeit. Der Verein Spurwechsel kritisiert das Vorgehen rund um die Planung und Realisierung des Zentrums in aller Deutlichkeit.
Das millionenteure Infozentrum wurde vom ASTRA offensichtlich gebaut, um in der gesamten Region Bern in den kommenden Jahren massive Autobahn-Ausbau-Vorhaben zu bewerben. Nur so ist zu erklären, dass die gesamte Region Bern mit riesigem Aufwand digital modelliert wurde. Faktisch wird das Infozentrum aber in absehbarer Zukunft nur für die Propaganda zum Wankdorf-Anschluss-Projekt (Ausbau von 4 auf 6 Spuren) dienen können. Mit dem Volks-NEIN zum Autobahn-Ausbauprojekt Wankdorf-Schönbühl (8 Spuren) sind nämlich alle anderen geplanten Ausbauprojekte rund um Bern obsolet geworden. Damit sind auch alle Spekulationen über den Ausbau des Felsenauviadukts (auf 8 Spuren) und der Strecke Rubigen-Muri (auf 6 Spuren) vom Tisch, weil sie ohne die 8 Spuren im Grauholz verkehrstechnisch nicht machbar sind.
Obwohl auch der Ausbau des Wankdorf-Anschlusses mit dem Volks-NEIN vom 24. November seiner argumentativen Grundlage weitgehend beraubt wurde, hat das ASTRA mit dem Auftritt in der gestrigen Tagesschau gezeigt, dass es trotz allem stur an diesen Plänen festhalten will. Daneben ist nur der Bypass Ost als weiteres Projekt am fernen Horizont in Sicht. Diese Tunnel-Idee, um den Anschluss Ostring und die Stadt zu umfahren, befindet sich aber erst im Stadium des generellen Projekts. Dieses soll erst im kommenden Jahr überhaupt dem Bundesrat zur Genehmigung vorgelegt werden. Das generelle Projekt umfasst nur die Anzahl Spuren, den ungefähren Verlauf und schematisch die geplanten Anschlüsse. Von einer sinnvollen Visualisierung ist das Projekt damit noch mehrere Jahre weit entfernt. Der Realisierungshorizont für dieses Projekt ist 2045-2050, je nach Verlauf des Plangenehmigungsverfahrens (Bundesgericht) können weitere 4 Jahre verstreichen! In der Zwischenzeit wird sich die Informationstechnologie rasant weiterentwickeln und das Besucherzentrum wird für dieses Projekt bereits wieder veraltet sein.
Dass das ASTRA das teure Besucherzentrum realisiert hat, ohne die Abstimmung vom 24. November 2024 abzuwarten, zeigt eine bedenkliche Nonchalance im Umgang mit öffentlichen Geldern auf. Das Vorgehen steht auch im Widerspruch zum “Respekt vor dem demokratischen Prozess”, der im Vorfeld der Abstimmung als Grund zur Rückstellung der geplanten Auflage des Projekts Schönbühl-Kirchberg angegeben worden ist. Einmal mehr wirft die Kommunikation des ASTRA grosse Fragezeichen auf. Ihm geht es offensichtlich nicht um die sachliche Information der Bevölkerung, sondern um Propaganda für den Autobahn-Ausbau.
Fast noch bedenklicher ist die PR-Offensive, mit der das ASTRA die Fehlinvestition zu rechtfertigen versuchte, nachdem es über die Recherchen zum Tamedia-Artikel Kenntnis erlangte. So konnte es offenbar die SRF-”Tagesschau” gewinnen, in einem mehrminütigen Beitrag das über Nacht angepasste Narrativ des ASTRA zum nutzlosen Millionenbau wiederzugeben – zu bester Sendezeit und ohne kritische Einordnung oder Gegendarstellung. Der Verein Spurwechsel kritisiert auch diese extrem fragwürdige PR-Aktion mit Nachdruck. Wir werden im Zusammenhang mit dem unkritischen Beitrag zudem das Gespräch mit der “Tagesschau”-Redaktion suchen.
Der Verein Spurwechsel hat die schönfärberische Kommunikation des ASTRA im Zusammenhang mit dem Autobahn-Ausbau wiederholt kritisiert. Es ist leider anzunehmen, dass die Bevölkerung auch im neuen Besucherzentrum nicht sachlich und umfassend über die Folgen des Ausbaus im Wankdorf informiert wird. Darauf weisen auch die Bilder im Tagesschau-Beitrag hin: Obwohl mit einem Verkehrswachstum gerechnet wird, sind nirgends Autos oder Lastwagen zu sehen. Alle Bäume werden im nachgewachsenen Zustand dargestellt, der sich erst Jahrzehnte nach dem geplanten Bau überhaupt einstellen wird. Dass unzählige Bäume gefällt und nicht ersetzt werden, wird verschwiegen (hier haben wir versucht, den Zustand direkt nach der Bauphase zu visualisieren: https://spurwechsel-bern.ch/anschluss-wankdorf/). Die über fünfjährige Bauphase mit grossen Einschränkungen für alle Verkehrsteilnehmenden – speziell für die Velofahrenden – wird mit keinem Wort und sowieso mit keinem Bild thematisiert. Auch der Lärm, der zuerst durch die Bauphase und anschliessend vom zusätzlichen Autoverkehr wegen des Ausbaus generiert wird, wird im Besucherzentrum wohl nicht “visualisiert” werden.
Der Anschluss Wankdorf – als letztes verbliebenes Ausbauprojekt – soll nun offenbar ohne Rücksicht auf Transparenz und wirkliche Aufklärung über die Folgen (mehr Verkehr, mehr Unfälle, weniger Grünfläche, mehr Lärm auf der Allmend usw.) durchgezogen werden. Aktuell steht dieses Projekt im Bewilligungsprozess erst in der ersten Stufe: Keine der inhaltlichen und berechtigten Einsprachen wurde bisher abgelehnt, ein Weiterzug bis vor Bundesgericht ist absehbar.
Der Verein Spurwechsel fordert nun eine Sistierung dieses Projekts und eine Neubeurteilung zusammen mit dem Zukunftsprojekt des Bypass Ost. Dies böte die Chance, im Wankdorf ein komplett neues Projekt zu planen, das auf die wirklichen Mobilitäts- und Nutzungsansprüche der Menschen im Raum Wankdorf/Allmenden angepasst ist. Das neue Projekt kann zudem in einem breiten partizipativen Prozess zusammen mit diesem stadtverträglich entwickelt werden.
Zusammen mit einem grossen Teil der Stadtbevölkerung fordern wir:
- keine Erweiterung der Kapazität für den Autoverkehr auf der Autobahn wie auch auf dem Stadtnetz
- keine Belastung der Siedlungsgebiete durch zusätzlichen Autoverkehr
- Ziel ist eine Reduktion des Autoverkehrs und die Entwicklung von zukunftsgerichteten, nachhaltigen und für alle Teilnehmenden sicheren Verkehrslösungen
Trotz des äusserst befremdlichen Vorgehens des ASTRA bekräftigt der Verein Spurwechsel sein Angebot, nach einer Sistierung des Wankdorf-Anschluss-Projekts gemeinsam mit allen beteiligten Akteuren neue Lösungen für das weitere Vorgehen im Raum Wankdorf zu suchen.

